Die Flora Grönlands

Allgemeines

Die grönländische Flora ist vielfältiger, als gemeinhin vermutet wird - nicht grundlos haben die Wikinger der Insel Grönland ("Grünland") ihren Namen gegeben. Immerhin rund 4.000 Arten finden sich auf der Insel, allerdings gehört der größte Teil davon zu den Moosen und Flechten. Die etwa 500 höheren Pflanzenarten sind ausschließlich in den Küstenregionen südlich des 70. Breitengrades zu finden. Die Vegetationsperiode ist mit sechs bis acht Wochen zwar relativ kurz, da aber in den Sommermonaten bis zu 24 Stunden Sonnenlicht verfügbar sind, entspricht dies einer effektiven Vegetationsperiode von drei bis vier Monaten.
Generell sind Pflanzengesellschaften in arktischen und subarktischen Regionen artenarm, viele Pflanzen verfügen über spezielle Anpassungen an die klimatischen Verhältnisse. Da die Vegetation sehr empfindlich ist, sollten Pflanzen auf keinen Fall gepflückt oder ausgegraben werden. Um die Pflanzendecke zu schonen, sollten Wege nicht verlassen werden.

Kryoflora

So unglaublich es zunächst klingt, auch die endlosen Eisflächen Grönlands beherbergen Pflanzen. Sie sind allerdings als Einzelpflanzen nicht erkennbar, es handelt sich überwiegend um einzellige Algen der Gattungen Chlamydomonas und Chloromonas. Die Algen sind auch für das Phänomen des Blutschnees oder Roten Schnees verantwortlich. Ihre Sporen enthalten rote Farbstoffe (Carotinoide) und wenn sie in größerer Menge auftreten, können sie Schnee- und Eisflächen rot färben. Neuere Untersuchungen und genetische Analysen haben gezeigt, dass neben den beiden genannten Algengattungen noch eine Vielzahl weiterer Algen die Schnee- und Eisflächen besiedeln.
Gerade die roten Farbstoffe sind auch für die Forschung interessant. Pflanzenfarbstoffe und weitere Inhaltsstoffe könnten wegen ihrer antioxidativen Wirkung z.B. als Nahrungsergänzungsmittel mit präventiven Eigenschaften eingesetzt werden.
Neben den mikroskopischen Algen besiedeln auch Pilze und Bakterien die Eisflächen. Zusammen mit den Tieren, die dort ebenfalls zu finden sind, werden diese Organismen als Kryoseston bezeichnet. Die Zusammesetzung der Lebensgemeinschaft ist u.a. abhängig vom pH-Wert des Schnees sowie vom Untergrundgestein.
Die Kryoflora hat auch erheblichen Einfluß auf Schmelzvorgänge. Durch die Farbstoffe kommt es zu einer Pigmentierung des Schnees auch weitab von Gebieten mit Luftverschmutzung. Der Schnee absorbiert dadurch mehr Sonnenstrahlung und schmilz schneller ab.

Frostschuttwüste

Die Frostschuttwüsten stellen den Übergang zwischen den schnee- und eisbedeckten Gebieten und der Tundra bzw. dem Fels- und Grasland in Gebirgsregionen dar. Die Landschaft ist geprägt von großen Flächen, die von Gesteinschutt bedeckt sind. Das Material entsteht durch die Frostverwitterung und ist oberflächlich oft von Flechten und Moosen bewachsen. Flechten treten in Grönland in großer Artenvielfalt auf, es sind mehr als 500 Arten beschrieben. Bei Flechten handelt es sich um eine symbiotische Lebensgemeinschaft zwischen einem Pilz und Grünalgen oder Cyanobakterien (Blaualgen). Die Flechten bilden charakteristische Säuren, die an der Verwitterung des Gesteins mit beteilgt sind.

Hocharktische Tundra

Nördlich des 70° Breitengrades erstreckt sich in den eisfreien Gebieten die hocharktische Tundra, in der Karte rechts blau dargestellt. Das Wort "Tundra" leitet sich vom finnischen "Tunturi" (= unbewaldeter Hügel) ab. Die Vegetation erreicht nur noch eine Flächenbedeckung von 20% bis 80%, große Flächen haben keine schützende Pflanzendecke und die Wurzelsysteme der Pflanzen sind nicht flächendeckend ausgebildet. Allgemein gilt die 2° Juli-Isotherme als die Südgrenze der hocharktischen Tundra. Flechten und Moose dominieren, es gibt weniger als 50 höhere Pflanzenarten. Vor allem der arktische Mohn bringt etwas Farbe in die Landschaft.

Niederarktische Tundra

Südlich des 70. Breitengrades erstreckt sich die niederarktische Tundra, in der Karte rechts grün dargestellt. Regelmäßige Niederschläge sorgen für ausreichende Feuchtigkeit, die Zwergstrauchheide ist die häufigste Vegetationsform. Besonders häufig kommen hier Knöterich, Weidenröschen, Wollgras und flach wachsende Birken und Weiden vor. Auch die schwarze Krähenbeere, die echte Bärentraube, Blaubeere, Rauschbeere, Preiselbeere, Bärlapp sowie verschiedene Binsen- und Seggenarten findet man häufig. Farbtupfer setzen die grönländische Glockenblume und der Silberwurz.

Trocken niederarktische Tundra

An der Westküste Grönlands zwischen der Hauptstadt Nuuk und der Gemeinde Upernavik findet sich häufig die Vegetationsform der trocken-niederarktischen Tundra, in der Karte rechts gelb dargestellt. Statt der Zwergweide ist die Zwergbirke die dominierende Pflanze. Die Krähenbeere ist eher selten zu finden, dafür gedeihen Preiselbeere und Sumpfporst. Auch die Sternmiere, Wintergrün und Läusekraut sind häufig.

Südliche Tundra

Im Süden Grönlands gedeihen an geschützten Stellen bis zu 6 Meter hohe Birken und bis zu 4 Meter hohe Weiden. Auch Ebereschen sind zu finden. Hier ist auch in einem gewissen Umfang Landwirtschaft möglich, es werden hauptsächlich Kartoffeln, Kohl, Salat, Radieschen und Rhabarbar angebaut. Die Wiesen liefern Heu zur Versorgung von Schafen während der Wintermonate. In diesen kleinen Gebieten (in der Karte rot dargestellt) mit subarktischem Klima herrscht im Juli eine Durchschnittstemperatur von mehr als 10°C